Karlsruhe

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Freitag, 7. April 2017

Scheingefechte rund um Fahrverbote und Blaue Plakette

In den vergangenen Monaten hat sich die Diskussion wieder intensiviert, wie die Luft in unseren Städten denn nun endlich nachhaltig verbessert werden könnte. Nachdem Stuttgart reihenweise Rekordwerte bei Schadstoffmessungen meldet und inzwischen wohl doch das Fracksausen bekommt, weil Strafen durch die Europäische Kommission drohen, wird jetzt an Fahrverboten gebastelt und auch die mögliche ergänzende Blaue Plakette für besonders 'schadstoffarme' Autos wird wieder vehement gefordert.
Momentaufnahme der privaten Feinstaubmessstationen in Stuttgart und Umgebung. Wie soll das besser werden, wenn wir nicht insgesamt weniger mit dem Auto fahren?

Ich mag mich jetzt damit unbeliebt machen, wenn ich hier vielleicht auch etwas überspitzt formuliere: aber sind das nicht alles nur Spiegelfechtereien, um den Schwarzen Peter von sich weg zu schieben und am Ende selbst nichts tun zu müssen? Von den Städten zu den Landesregierungen, von denen zum Bund und am Ende wieder zurück zu den Kommunen?

Da wird vehement die blaue Plakette gefordert, die dann für Autos gilt, die die nächste Schadstoffstufe einhalten, um damit weitere Restriktionen für die Einfahrt in die Städte einrichten zu können. Dann gibt es Widerstand von irgendeiner Seite und abschließend heißt es: 'Wir hätten ja gerne etwas gemacht, aber man lässt uns nicht. Sonst wäre jetzt schon alles ganz toll.'

Dabei weiß man doch, dass die Autos in der Praxis viel mehr Schadstoffe ausstoßen und nicht wirklich sauberer oder gar sauber sind, egal welche Plakette sie haben. Offensichtlich ist das auch für die neuen Euro 6 Fahrzeuge nicht wirklich anders - also wo ist das Positive, wenn die einfach weiter fahren dürfen? Naja, die Automobilhersteller dürften sich wohl über viele Neukäufe freuen, wenn sie wieder eine clevere Methode gefunden haben, wie die Motoren im Test schön sauber sind. 
Es gibt jetzt schon wohl Zweifel, ob die Umweltzonen wirklich einen so großen Beitrag zur Luftreinhaltung gebracht haben. Daher weiß ich auch nicht, ob uns Petitionen zur Einführung der blauen Plakette wirklich weiter bringen.

Dann also jetzt Fahrverbote, aber nur wenn das Wetter gerade ungünstig ist und dann auch nur für die vermeintlich schmutzigeren Diesel, die noch nicht die Euro 6 einhalten. Wenn ich also das Geld ausgebe für einen schönen neuen SUV von einer unserer deutschen Edel-Marken, um damit mit 400 oder mehr PS über 2 to an Metall, Plastik und Gummi durch die Stadt zu schaukeln, werde ich das weiter tun dürfen. Dann stört sich auch keiner dran, wenn ich mal schön den Motor laufen lasse, während ich am Straßenrand stehe, weil ich grad schnell das Altglas in den Container werfen will oder ein Anruf reinkommt und ich nur kurz 5 Minuten ein bisschen plaudern möchte. Mit der grünen oder gar blauen Plakette an der Windschutzscheibe darf ich doch schließlich davon ausgehen, dass das Fahrzeug die Luft womöglich sogar sauberer macht und gar nicht verschmutzt.

Ein sauberes Auto ist das, das NICHT fährt oder noch besser, gar nicht existiert! 
Das entlastet die Städte und hilft bei der Transformation von einem Verkehrsraum in einen Lebensraum, der sie eigentlich sein sollten. Wenn die Städte das erreichen wollen und dafür auch die Luftqualität besser werden soll, müssen sie also nur den motorisierten Individualverkehr reduzieren und dafür haben Sie alle Mittel in der Hand, um entsprechend eingreifen zu können.

Dafür braucht es aber einen politischen Willen und etwas Courage und die Anwendung stadtplanerischer Instrumente. Dann kann man z.B. wie Kopenhagen daran gehen, den Autoverkehr in der Innenstadt von Jahr zu Jahr etwas zu reduzieren. Wenn ich richtig informiert bin, will man dort weiter jährlich um 3% herunterkommen. 

Ohne ein Experte für Stadt- und Verkehrsplanung zu sein, schlage ich mal nur zwei Maßnahmen vor, die nach meiner Einschätzung eine entsprechende Wirkung zeigen könnten, ohne dass einem das BMVI in die Suppe spucken könnte:

1. Parkraumbewirtschaftung: ich habe den Eindruck, dass in meinem Viertel auch der stehende Verkehr immer mehr wird. Sprich, da parken gefühlt immer mehr Autos. Das Parken ist hier kostenlos. Ich weiß, dass das Gebiet von Berufstätigen und Studenten genutzt wird, um tagsüber das Auto abzustellen. Das kann ich durchaus nachvollziehen, ist es doch so bequem. Ich kenne einen Fall von einem Berufspendler, der von seinem Wohnort eine perfekte Anbindung mit der Bahn hätte, um an seinen Arbeitsplatz zu kommen. Ob Kosten für's Parken hier nicht für ein Umdenken sorgen könnten.

2. Auch dem fließenden Autoverkehr Platz wegnehmen - und den dann dem Fußgänger- und Radverkehr zur Verfügung stellen. Eine Verbesserung der entsprechenden Infrastruktur wird immer eine Erhöhung des jeweiligen Verkehrsanteils nach sich ziehen. Entsprechende Maßnahmen sollten also fast zwangsläufig eine Verschiebung weg vom Auto erzielen. Damit könnten die Kommunen dann auch nachhaltig die Kosten für Schaffung und Erhalt der Straßen deutlich senken - denn Fahrrad- und Fußwege sind viel billiger als Straßen für Autos.

Sehen kann ich so eine Entwicklung leider in Karlsruhe oder auch in anderen Städten in Deutschland nicht wirklich. Man mag mich korrigieren, wenn anderswo richtig was voran geht. In Stuttgart bestimmt nicht, oder? Der Blick muss schon ins Ausland gehen - selbst London und Paris haben es inzwischen kapiert und zeigen eine ganz andere Dynamik.

Also, liebe Kommunalpolitiker: versteckt euch nicht mehr hinter irgendwelchen Scheinargumenten, sondern tut etwas, wenn es euch wirklich ernst ist mit der Verbesserung der Luft- und damit Lebensqualität in unseren Städten! Reduziert den MIV in den Städten generell und jeden Tag und nicht nur dann, wenn mal grad eine ungünstige Wetterlage herrscht! Am Schluss werdet ihr noch sehen, dass die Städte auch wirtschaftlich davon profitieren werden

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