Karlsruhe

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Montag, 17. April 2017

Aggression

Die im folgenden geschilderten Ereignisse wurden mir aus erster Hand geschildert. Die Darstellung mag subjektiv sein und die Sicht der anderen beteiligten Person kenne ich überhaupt nicht. Dennoch gehe ich davon aus, dass die wesentlichen Punkte der Geschichte sich tatsächlich so zugetragen haben und es wert sind, berichtet zu werden.


In der vergangenen Woche fuhr ein Bekannter wie üblich morgens mit dem Fahrrad zur Arbeit. In einer sehr engen Straße mit Tempo 30 Limit sieht er ein Auto auf sich zu fahren, das stark beschleunigt und mit hoher Geschwindigkeit auf ihn zu rast, ganz offensichtlich ohne die geringste Absicht auch nur kurz zumindest vom Gas zu gehen. Wir alle kennen die Situation und ich kann die Wut nachvollziehen, die er in der Situation empfunden hat. Seine Reaktion in dem Moment: er spuckt dem Auto auf die Windschutzscheibe.

Im Weiterfahren hört er wie das Auto jetzt abbremst. Beim Umschauen sieht er das Aufleuchten der Rückfahrscheinwerfer und wie jetzt der Autofahrer im Rückwärtsgang wieder mit hoher Geschwindigkeit hinter ihm herfährt.

Als sich das Auto immer weiter nähert, verringert er die Geschwindigkeit. Der Autofahrer schneidet im vollends den Weg ab und er muss anhalten. Die Tür öffnet sich, der Fahrer steigt aus und blafft ihn an, warum er auf sein Auto spucke. Seine Antwort, dass er nur auf die Straße gespuckt hätte, wenn der andere sich an das Tempolimit gehalten hätte.

In dem Moment passiert das eigentlich Unglaubliche: der Autofahrer schlägt zu. Mit der Faust schlägt er dem Radler so fest gegen die Brust, dass dieser rückwärts umfällt und sich ziemlich fassungslos auf dem Boden wieder findet, um dann aber sofort zum Telefon zu greifen und die Polizei zu rufen. Der Autofahrer bleibt tatsächlich vor Ort und wenige Minuten später erscheint ein Streifenwagen.

Nachdem der Radler das Geschehene aus seiner Sicht geschildert hat, nehmen die Polizisten den Autofahrer auf die Seite und reden mit ihm. Aus der Entfernung ist unter anderem das Wort Körperverletzung zu verstehen. Nach einiger Zeit kommen die Beamten wieder zu dem Radler, um ihm zu sagen, ob er auf einer Anzeige bestehen würde. Der Autofahrer würde seine Handlungsweise bereuen und würde sich gerne entschuldigen. 

Tatsächlich lässt sich der Radler dann nach einem direkten Gespräch mit dem Autofahrer darauf ein, auf eine Anzeige zu verzichten. Puh!

Meine Antwort an ihn war in dem Moment: Wie konntest du nur? Wobei ich andererseits auch nachvollziehen kann, dass man sich oft selbst der schlechteste Anwalt ist. Aber es gibt meiner Meinung nach gute Gründe, gerade in so einem extremen Fall, die Mühen einer Anzeige und der folgenden Aktionen - Besuch beim Arzt für die Begutachtung der Verletzung, Aufnahme der Anzeige, Auftreten als Zeuge bei einer Verhandlung, etc. auf sich zu nehmen.

Tatsächlich hatte der Schlag mit der Faust wohl eine ordentliche Prellung verursacht. Das wurde aber eigentlich erst einige Stunden nach dem Vorfall richtig deutlich - wie das so häufig ist. Glücklicherweise scheint es inzwischen so, dass die Prellung schnell und deutlich zurück geht, aber davon kann man in so einem Fall nicht wirklich ausgehen. Im Grunde sollte man bei jedem Sturz mit Fremdbeteiligung im Zweifelsfall lieber zum Arzt gehen und die Verletzung offiziell feststellen lassen. Es kann sehr schnell gehen, dass diese schlimmer ist, als man im Moment glaubt und sich dann später zu melden, bringt nicht sehr viel.

Bei der Anzeige denke ich nur, dass jemand, der ein so hohes Aggressionspotential hat, dass er zuschlägt, weil ihm jemand aufs Auto spuckt, nicht wirklich seine Tat bereut. Da ist es dann vielleicht eher die Erkenntnis, dass er ganz schön in der Tinte steckt und eine Verurteilung wegen Körperverletzung sehr wahrscheinlich ist und das teuer werden kann. Damit ist das nach außen reuevolle Verhalten vielleicht eher in der Angst vor den Konsequenzen begründet und nicht in wirklicher Einsicht. Wird der Autofahrer nur aus diesem Schrecken wirklich sein prinzipielles Verhalten überdenken und sich in Zukunft anders verhalten? Es bleibt zu hoffen, aber auch Zweifel sind durchaus angebracht.

Verwunderlich für mich sind noch einige Schilderungen von Aussagen der Polizeibeamten. So z.B. dass das Ausbremsen durch den Autofahrer keine Nötigung wäre. Schließlich sei es nachvollziehbar, dass man wissen wolle, wer da auf das Auto gespuckt habe. Etwas Spucke auf der Windschutzscheibe (mir wurde übrigens hoch und heilig versichert, dass diese nicht mit Salzsäure angereichert war!) rechtfertigt eine Gefährdung der Gesundheit eines anderen? Zum weiteren noch, dass in der Sache kein öffentliches Interesse bestünde, die Sache weiterzuverfolgen, wenn nicht durch den Geschädigten selbst eine Anzeige erstattet wird. Hätte sich diese Einschätzung geändert, wenn die Verletzung offensichtlich gewesen wäre - z.B. durch eine Schlag ins Gesicht, statt 'nur' gegen die Brust?

Nun ja, ich bin kein Jurist und kann das nicht abschließend beurteilen. Grundsätzlich als Fazit bleibt vielleicht zu sagen, dass man durchaus häufiger sich die Mühe machen sollte, aggressives und rücksichtsloses Verhalten von Autofahrern zur Anzeige zu bringen - es muss ja nicht gleich bei der Polizei sein, aber warum nicht auch mal die Stadt damit behelligen und schildern, was so täglich auf den Straßen passiert. Gelegenheiten gibt es ja genug. Damit werden diese Fälle auch aktenkundig und können nicht mehr so leicht ignoriert werden.

Ob ich jetzt das Spucken als geeignete Notwehrmaßnahme in solchen Situationen werten soll, weiß ich noch nicht genau. Da werde ich mir noch etwas Gedanken machen müssen.

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