Karlsruhe

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Mittwoch, 1. August 2018

Kopenhagen!

Ich will dieses Mal vermeiden zu 'religiös' zu werden mit meinen Vergleichen - nachdem ich die Niederlande schon mal als das 'Gelobte Land' gepriesen habe. Obwohl mir schon wieder so Sachen durch den Kopf gingen, wie 'Mekka der Radfahrer' oder 'Paradiesische Zustände'. Da aber zurzeit zu viel über Religion geredet wird, will ich es mir verkneifen.
Ein typisches Bild: richtig viel los auf dem Radweg. Hier wird dann vor der Kreuzug sogar zweispurig geführt. Ampeln sind immer gut sichtbar in der richtigen Höhe angebracht.

Jedenfalls war ich beruflich 3 Tage in Kopenhagen. Leider ohne Fahrrad und mit zu wenig Zeit außerhalb der Arbeit. So habe ich meine Erkundungen dort hauptsächlich zu Fuß gemacht und festgestellt, es ist der Hammer! Einige der Fotos, die ich mitgebracht habe, geben vielleicht einen Eindruck. Wobei man wohl berücksichtigen muss, dass dort schon Ferienzeit war, und somit die Stadt ruhiger als üblich.
Ich weiß, vielen in Deutschland gefällt das nicht. Aber hier scheint es zu funktionieren - die Radwege sind weitgehend vom Autoverkehr getrennt. Zudem an jeder Ecke Abstellmöglichkeiten, an denen das Rad auch angeschlossen werden kann.

Was ist mir aufgefallen?
Hier gab es tatsächlich Stau: die Brücke nur für Fußgänger und Radler übers Wasser war kurz blockiert, weil mal kurz ein Schiff durchgelassen wurde. Als die Fahrbahn wieder frei war, kam auch von der anderen Seite ein ganzer Schwung an Radlern.
Wichtig mit Adresse an die Autofahrer: ich habe keinen einzigen Stau gesehen oder zumindest keinen Autostau. Wenn man also tatsächlich mal für irgendwas das Auto braucht, kommt man hier deutlich besser voran als z.B. in Stuttgart oder auch hier in Karlsruhe. Also liebe Autofahrer: der Weg zu schnellerem Vorankommen, bedeutet nicht noch mehr Straßen, sondern mehr Platz für Radler, Fußgänger und öffentlichen Nahverkehr.
Es mag auch an der Urlaubszeit gelegen haben, dass so wenige Autos zu sehen waren. Aber das würde ja heißen, dass es sonst auch noch mehr Radler sind. Auffallend wie gut die Radwege auch von den Fußgängern beachtet werden. Hier läuft keiner mal einfach so auf den Radweg.

Es ist erstaunlich, wie bewusst es den Menschen hier ist, dass das Rad hier ein Verkehrsmittel ist. Keiner läuft blind auf den Radweg raus. Die Leute schauen hier genau so, ob etwas kommt, wie sie das auf der Straße machen.
Hilfreich könnte bei uns auch so etwas sein. Ein Zebrastreifen über den Radweg. Der macht schon mal klarer, dass man hier vielleicht doch mal schauen sollte.

In der Metro spielt sich folgende Szene ab: zwei Radler steigen mit ihren Rädern in die Bahn. Eigentlich auch genug Platz, um damit im Eingangsbereich stehen zu bleiben, aber sofort stehen zwei Männer von ihren Klappsitzen auf, um den für die Räder vorgesehenen Bereich frei zu machen. Ich traue meinen Augen nicht. Könnt ihr euch das in Karlsruhe vorstellen? Zudem nicht nur auf den Zügen überdeutlich markiert, wo man das Fahrrad mit reinnehmen kann, sondern schon auf dem Bahnsteig!
Große Symbole auf dem Bahnsteig zeigen einem schon, wo denn das Abteil zum Stehen kommen sollte, das Platz hat für mein Fahrrad.

Jeder radelt, unabhängig vom Alter, Geschlecht oder sonstigem. Im Vergleich zu den Niederlanden sind relativ viele Radler doch mit Helm unterwegs und während es sind viel mehr hochwertige Räder unterwegs als dort.
Mit Erlaubnis der Eltern durfte ich diesen jungen Mann mit seinem Lastenrad fotographieren. Hammer, oder?

Kopenhagen MUSS das Epizentrum der Lastenräder sein, wenn es hier schon Kindermodelle gibt!

Auch JWD getrennte Radwege, eigene Ampeln und klar gekennzeichnete Bereiche für die Radler, auch wenn hier die Farbe schon etwas gelitten hat. Spricht für eine intensive Nutzung.
Die Infrastruktur fürs Radfahren ist absolut durchgängig. Separate Fahrradampeln, in der richtigen Höhe und Position, so dass man sich nicht eine Genickstarre holt, wie hier in Karlsruhe. Fahrradspuren und meist getrennt vom Autoverkehr (auch wenn hier in Deutschland schon wieder viele Plack bekommen, wenn sie das hören) und das nicht nur im Zentrum, sondern auch in der Peripherie.
Große überdachte Abstellmöglichkeiten am Nörre Port - eine zentrale Umsteigestelle zwischen Metro, S-Bahn und Buslinien.

Die Wege vom Hotel zum Kunden habe ich in Kopenhagen mit dem Bus gemacht. Auch diese sind alle auf Fahrradmitnahme eingerichtet. Dazu super-pünktlich, die Busfahrer super-nett und hilfsbereit - also auch für die Verantwortlichen des VBK mal sinnvoll da hinzufahren, um sich anzuschauen, wie es auch gehen kann.
Die gibt es nicht an jeder Ampel, stelle ich mir aber extrem praktisch vor. Man kann auf dem Rad sitzen bleiben, stellt den Fuß auf dem Bord ab und hält sich oben an der Stange fest. Wird die Ampel grün kann man direkt losfahren.

Zwei Sachen lassen sich zumindest bisher auch in Kopenhagen nicht verhindern. Das sind Autoposer und Taxifahrer, die meinen an Stellen überholen zu müssen, wo man nicht überholen kann.
Vielleicht doch ein Gen-Defekt oder eine Virus-Infektion von Taxifahrern weltweit. Kein Platz zum Überholen, kein Zeitgewinn wirklich zu erwarten, aber er muss sich mit Miniabstand an den Radlern vorbeidrücken. Gibt es eben auch in Kopenhagen.

Falls die zuständigen Verkehrsplaner hier in Karlsruhe bisher noch nicht dort waren, würde ich dringend eine Dienstreise dorthin empfehlen. Da kann man sich eine ganze Menge spannender Lösungen anschauen. Vieles davon ließe sich auch hier in Karlsruhe anwenden. Das wäre bestimmt eine gute Investition.
Hat nix mit Fahrradfahren zu tun - wäre aber mein Wunschdomizil, wenn ich in Kopenhagen wohnen würde. Mitten im Zentrum. Ein Traum, oder?

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