Vor kurzem habe ich über einen kleinen Unfall berichtet, den ich hatte, als mir eine Frau direkt vors Rad lief. Dieser Tage berichtet mir ein anderer Radfahrer von einem ganz ähnlichen Unfall, der nicht ganz so glimpflich ablief und dann zur Aufnahme auch die Polizei vor Ort war. Nach seiner Schilderung wurde ihm zunächst von der Polizei gesagt, dass das schlecht für ihn aussähe, weil der Fußgänger der schwächere Verkehrsteilnehmer sei. Dann waren da noch zwei Zeugen, die aussagten, er wäre viel zu schnell gefahren (Tempo 50 war erlaubt!!!) und am Ende hat er tatsächlich vor Gericht die Schuld am Unfall zugesprochen bekommen, weil er nicht situationsangepasst gefahren wäre.
Ich kann die Schilderung nicht überprüfen, aber mich hat vor allem aufhorchen lassen, dass seitens der Polizei der Radler als der stärkere Verkehrsteilnehmer gegenüber einem Fußgänger bezeichnet wurde. Es war mir bewusst, dass es ein solches Prinzip für den Autofahrer gibt. Das Auto ist größer, stärker und gefährlicher für einen Radfahrer oder Fußgänger. Das leuchtet jedem ein. Aber ist ein Radfahrer für Fußgänger gefährlicher als umgekehrt?
Ich denke in der Praxis eher nicht. Ein Radler ist im Regelfall schneller als ein Fußgänger, was ein höheres Risiko mit sich bringt für schwerere Verletzungen. Der Fußgänger ist für Radler aber dadurch sehr gefährlich, dass seine Laufwege extrem unkalkulierbar sind. Richtungswechsel sind viel abrupter und schlechter vorhersehbar, als bei einem Radfahrer. Außerdem würde ich sagen, dass der Radler sich im Zweifelsfall mehr weh tut, als der Fußgänger, wenn es zu einer Kollision kommt.
Jetzt stellt sich also die Frage, wie das tatsächlich juristisch gehandhabt wird und ob der Polizist recht hatte (das Gericht hatte ja scheinbar anders argumentiert). Ich habe also etwas recherchiert und versucht mit meinen laienhaften juristischen Kenntnissen, die Fundstücke richtig zu interpretieren.
Es gibt den Begriff der Gefährdungshaftung, im Gegensatz zur Schuldhaftung. Hier geht es um das Prinzip, dass bei einem Unfall berücksichtigt wird, ob einer der Beteiligten mit seinem Fahrzeug eine höhere Betriebsgefahr mitbringt. Er wird damit unter Umständen schadensersatzpflichtig und sogar schmerzensgeldpflichtig, selbst wenn er sich nicht schuldhaft verhalten hat. Für die Deckung der Schäden tritt wohl normalerweise die KFZ-Haftpflicht ein, wobei dann eventuell steigende Beiträge am Ende doch den KFZ-Halter treffen. Allerdings können keine Strafen verhängt werden, wie Bußgelder oder gar Punkte, weil kein schuldhaftes Verhalten vorliegt. Das leuchtet auch ein.
Nach meinen Recherchen wird hier aber ganz klar nur zwischen motorisiertem und nicht-motorisiertem Verkehr unterschieden, wodurch die Aussage widerlegt wäre, dass juristisch der Radler als stärkerer Verkehrsteilnehmer gilt als ein Fußgänger. Also würde ich davon ausgehen, dass hier der Polizist zumindest falsch lag. Vor Gericht hätte dem betroffenen Radler damit diese Info vermutlich auch nicht geholfen. Die Frage nach der angepassten Geschwindigkeit ist dann wieder ein anderes Thema.
Ich halte es für wichtig für Fußgänger und Radfahrer zu wissen, dass sie im Falle eines Unfalls mit einem KFZ, auch dann einen Anspruch auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld haben, wenn sie selbst den Unfall schuldhaft verursacht haben, weil wir ohne Auto ein geringeres Risiko für Gesundheit und Leben unserer Mitmenschen eingehen.
Grundsätzlich bleibt zu sagen, je weniger Unfälle, je besser. Also Augen offen halten und ein bisschen gegenseitige Rücksichtnahme für alle! Wenn ihr zu Fuß seid, dran denken, dass Radler keinen Lärm machen - man muss also schauen, bevor man auf die Straße läuft!
Hier noch die Quellen, die es durchaus lohnt mal etwas genauer anzuschauen:
http://www.fahrtipps.de/verkehrsregeln/schadensersatzrecht.php
http://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/jura-2012-Gef%C3%A4hrdungshaftung.pdf
http://www.iww.de/va/archiv/unfallschadensregulierung-der-radfahrer-unfall-in-der-aktuellen-rspr-f45817
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