Mehrere Fliegen mit einer Klappe

Neue Fahrradwege poppen leider in Karlsruhe nicht so leicht aus dem Boden, aber immerhin hat sich die Stadt durchgerungen, der Gastronomie zusätzlichen Platz für Außenbewirtschaftung zur Verfügung zu stellen, indem temporär Parkplätze dafür umgewidmet werden. Erfreut habe ich das in der Oststadt wahrgenommen, nehme aber an, dass das in anderen Stadtteilen ebenfalls praktiziert wird. Hier sind es unter anderem das Gold in der Ludwig-Wilhelm-Straße und die Werkbank in der Essenweinstraße, die je zwei Parkplätze nutzen dürfen, um dort zusätzliche Tische aufzustellen. Auch Tante Edith noch ein Stück weiter östlich Ecke Humboldtstraße hat etwas mehr Platz bekommen, um seinen Mittagstisch anbieten zu können. Es ist auf jeden Fall eine bessere Nutzung von öffentlichem Raum, als dort nur 2 Tonnen Blech und Plastik abzustellen.

Kurz vor 18h kommen schon die ersten Gäste. Die beiden umfunktionierten Parkplätze sind mit den Blumenkästen eingerahmt, die Schirme aufgespannt. Die Chancen sind jetzt deutlich höher bei schönem Wetter auch draußen einen Platz zu bekommen.

Von allen Betreibern habe ich die Rückmeldung bekommen, dass das eine hochwillkommene Maßnahme ist, um zumindest teilweise die Corona-bedingten Einbußen der letzten Wochen und Monate wettzumachen. Und das Angebot wird auch von den Menschen in der Oststadt gerne angenommen, wenn man sieht, wie gut die Plätze belegt sind. Das ist schließlich auch kein Wunder, denn mit den ganzen Einschränkungen durch die Pandemie möchten die Leute natürlich das schöne Wetter nutzen. Und wenn dann auch die Urlaubsmöglichkeiten eingeschränkt sind und man womöglich unplanmäßig daheim bleibt, kann man es sich schließlich auch in Karlsruhe gut gehen lassen.

Beim Gold in der Ludwig-Wilhelm-Straße sind die Plätze draußen auch schon zur Mittagszeit ganz gut belegt und das trotz der Ferienzeit. Nach der langen Betriebspause und der Unsicherheit, wie es in der kalten Jahreszeit werden wird, ein aktueller Lichtblick für die Betreiber und auch ihr Personal.

Bei den genannten Beispielen finde ich, dass auch das Straßenbild gewinnt. Die Kreuzungen wirken offener, wenn sie nicht so mit Autos zugestellt sind. Bei der Werkbank stehen dann zur Straße hin jetzt keine dicken PKWs, sondern Blumenkästen mit Kräutern und ab und zu kommt der Koch und Inhaber, Egemen Dogan vorbei, um ein paar Blätter ganz frisch abzuzupfen. Auf die Art wird Parkraum in Lebensraum umgewandelt. Beim Gold ist der Unterschied vielleicht nicht ganz so augenfällig, aber dennoch ist die Ecke einfach viel offener geworden und das ganze Quartier wird so lebendiger.

Leider hat die Stadt den Wirten mitgeteilt, dass das ganz bestimmt eine einmalige Sache bleiben soll. Bis 31.10. gilt die Sondergenehmigung - dann ist vermutlich auch die Saison zum draußen sitzen vorbei - aber eine Wiederholung im nächsten Jahr wurde ausgeschlossen. Ich frage mich aber Warum? Jeder profitiert! Die Stadt eigentlich ganz vorne weg, denn sie muss sich darum kümmern, dass weiterhin die Menschen hier Ziele finden, für die sie den Weg auf sich nehmen. Da sind lokale Unternehmer die bessere Zielgruppe als irgendwelche Ketten von Primark, über McD bis Starbucks, die meist in Deutschland nicht einmal ihre Gewinne versteuern.

Tante Edith an der Ecke Essenwein- /Humboldtstraße. Auch kurz vor 14h sind noch einige Gäste da mit einem guten Mittagessen zum kleinen Preis. Die Kreuzung bildet hier fast einen kleinen Platz, der seit der Eröffnung gewonnen hat und viel lebhafter geworden ist.

In der Werkbank befürchtet man ein wenig, dass die Karlsruher im nächsten Jahr bezüglich Urlaub das nachholen, was dieses Jahr nicht möglich war und dann vielleicht eh weniger Betrieb sein wird als im Moment. Ich denke, das bleibt abzuwarten. Zum einen sind Prognosen immer schwierig und wer kann heute schon sagen, wie im nächsten Frühjahr die Situation aussehen wird. Gerade in der Klimakrise muss es auch mit der Verkehrswende weiter gehen und da müssen einfach mit der Zeit Parkplätze wegfallen, wenn der MIV zurück gedrängt werden soll.

Als mir Egemen erzählt, dass er schon von Anwohnern angesprochen wurde, dass jetzt ja noch zwei Parkplätze fehlen würden, habe ich ihm geantwortet, dass das zwei von 160 Millionen Parkplätzen in ganz Deutschland sind. Eigentlich setzt das ja schon den Maßstab an den Wahnsinn. Wer noch mehr Details dazu braucht, kann auch noch dem Link folgen.

Wenn die Stadt Karlsruhe attraktiv und lebenswert sein will, soll sie mal mit ihren Mitarbeitern reden, die Rede und Antwort stehen mussten, als in der Bürgerbeteiligung zur Umgestaltung des Durlacher Tors die Wogen hoch gingen. Es ging dort um den Platz an der Bernharduskirche mit Spielplatz, dem Oktav und den Tischtennisplatten. Mit Zähnen und Klauen wurde dort gekämpft, um jede Veränderung dort zu vermeiden. Ich vermute, es steckte viel Angst in mancher Argumentation, dass diese kleine Oase verloren geht. Und tatsächlich wäre es wirklich schade drum. Es sollte eigentlich mehr solcher Oasen in der Stadt geben. Aber dort gibt es eben keinen Autoverkehr! Ich bringe das in einen gewissen Zusammenhang: weniger Autos bedeutet mehr Oase!

Vielleicht habt ihr in eurem direkten Umfeld ähnliche Beispiele für Gastronomiebetriebe, die ihr sehr vermissen würdet und die zurzeit mit einer erweiterten Außengastronomie ihre wirtschaftliche Situation verbessern und damit die Straßen beleben und gleichzeitig die Verkehrswende ein kleines Stück voranbringen. Vorschlag an der Stelle: schreibt einen Kommentar mit der Kneipe oder dem Restaurant, das im Moment so arbeiten kann und das gerne im nächsten Jahr auch tun möchte. Das wird dann schon bei dem einen oder anderen  Mitglied des Gemeinderats von Karlsruhe ankommen.

Links:

http://werkbank-karlsruhe.de/

https://www.gold-ka.de/

https://www.karlsruhecityblog.de/post/tante-edith

http://ka-radler.blogspot.com/2018/08/ein-paar-zahlen-zum-autoverkehr.html