Karlsruhe

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Montag, 27. Februar 2017

Fahrradförderung auf die belgische Art

Vor einigen Jahren habe ich zum ersten Mal davon gehört und konnte es kaum glauben, dass man in Belgien vom Arbeitgeber Kilometer-Geld fürs Radlen ins Büro bekommt. Vor kurzem bin ich durch Zufall dann auf einen Bericht der European Cyclist's Federation ECF gestoßen, in dem die steuerliche Förderung der verschiedenen Verkehrsmittel für den Arbeitsweg in europäischen Ländern verglichen und in Bezug auf die Umweltfreundlichkeit bewertet wird. (Insgesamt sehr lesenswert übrigens, daher hier noch separat der Link: https://ecf.com/sites/ecf.com/files/141117-Commuting-Who-Pays-The-Bill_2.pdf)
Bericht der ECF zu steuerlichen Regelungen für den Arbeitsweg (Quelle ECF)
Hier wird auch die belgische Regelung im Detail beschreibt, mit der die Nutzung des Fahrrads für den Arbeitsweg gefördert wird und ich finde, das ist mal ein echtes Pfund.

Während man in Deutschland hauptsächlich die Nutzung des Autos steuerlich unterstützt und nur ganz langsam Fortschritte macht, das Fahrrad auch hier als Verkehrsmittel anzusehen, ist man diesbezüglich bei unseren belgischen Nachbarn (und nicht nur dort) schon seit Jahren viel weiter. Interessant hier zu sehen, dass es im Vergleich nur Deutschland schafft, bei den verschiedenen Fördermaßnahmen keine einzige 4-Sterne Wertung zu bekommen.
Die direkte Gegenüberstellung der verschiedenen Regelungen mit einer Bewertung nach Sternen (Quelle: ECF)
Tatsächlich kann in Belgien der Arbeitgeber pro geradeltem Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsplatz bis zu 22 €-cent bezahlen. Der Arbeitgeber kann die Kosten komplett steuerlich absetzen, während das zusätzliche Einkommen für den Arbeitnehmer weder steuer- noch sozialversicherungspflichtig ist. Offensichtlich ist das auch nicht nur eine Möglichkeit für den Arbeitgeber, sondern das wird tatsächlich auch so gemacht, wie ich eben auch aus persönlichen Schilderungen weiß.
Die Empfehlungen des Berichts an Deutschland... (Quelle: ECF)
...und an die EU. (Quelle: ECF)
Damit ist aber noch lange nicht Ende der Fahnenstange. Eine Firma kann ihren Mitarbeitern nämlich auch ein Firmenfahrrad stellen. Das geht in Deutschland zwar inzwischen auch, aber bei uns entsteht dadurch wieder ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil. In Belgien bleibt das Dienstfahrrad ebenfalls steuerfrei für den Nutzer. Auch für den Arbeitgeber gibt einen zusätzlichen Vorteil, da dieser nämlich sogar 120% der Kosten für das Fahrrad steuerlich geltend machen kann. Hier also eine Subventionierung durch den Staat.
Stillstand in Deutschland - die Bilanz ist nicht nur durchwachsen, sondern zeigt auch wenig Entwicklung zum Besseren.  (Quelle: ECF)
Und es geht noch weiter: der Arbeitgeber kann nämlich den gleichen Anrechnungssatz von 120% auch für Investitionen geltend machen, die den radelnden Mitarbeitern zu Gute kommen. Beginnend von vernünftigen Radabstellanlagen bis zu Duschen und Umkleiden. Diese Punkte sollte man nicht unterschätzen. Ich bin in der glücklichen Situation, dass mein Arbeitgeber diese Annehmlichkeiten geschaffen hat, ohne dafür vom Finanzamt gesondert belohnt zu werden. Es ist viel wert, wenn man sein Fahrrad problemlos, sicher und trocken abstellen kann, zudem sich frisch machen und umziehen kann, wenn es notwendig ist.

Stellt man sich aber noch vor, dass man jetzt noch für’s Radeln bezahlt wird. Da wären vermutlich doch eine ganze Menge mehr Leute plötzlich dabei und würden das Auto zumindest meistens stehen lassen.

Auch die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel wird gefördert und hier ist es für die Firmen sogar verpflichtend 75% der Kosten für den Arbeitnehmer zu übernehmen. In der Praxis sieht es sogar so aus, dass die Arbeitgeber wohl häufig die kompletten Kosten tragen.

Man stelle sich dieses Szenario in Deutschland vor. Wie würde sich damit die Nutzung der Verkehrsmittel im Berufsverkehr ändern? Ich könnte mir vorstellen, dass es eine ganze Menge Menschen zum Umdenken und dann zum Umsteigen bringen würde. Wobei man sicher nicht außer Acht lassen darf, dass die steuerliche Förderung nicht alles ist. Zum einen ist der Fahrradanteil am Berufsverkehr in Belgien nicht höher als bei uns in Deutschland. Dagegen hat Dänemark hat auf den ersten Blick eine nur unwesentlich bessere Bewertung in der Übersichtstabelle im Vergleich zu Deutschland, aber eine mit 20% mehr als doppelt so hohe Quote bei der Nutzung des Fahrrads beim 'Commuting'.

Das belgische Szenario für mich persönlich durchgerechnet würde jedenfalls mit der Nutzung von ÖPNV und Fahrrad für den Arbeitsweg, ein jährliches Zusatzeinkommen von ca. 1000 Euro netto bedeuten. Damit könnte ich mich persönlich schon irgendwie anfreunden - entscheidend für mich ist es aber nicht. Klar, dass das Geld auch irgendwo herkommen muss, aber wie wäre es mit einer Reduzierung der steuerlichen Absetzbarkeit für die Entfernungskilometer mit dem Auto (man wird ja mal noch träumen dürfen!)?
Wer jetzt schreit, wer soll denn das alles bezahlen und das belastet die Wirtschaft zu sehr - hier der Vergleich in Belgien: 70 Mio. für die Radler-km, 4 Milliarden für Firmenautos. (Quelle: ECF)

2 Kommentare:

  1. Wenn mein Arbeitgeber mir pro geradelten Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsplatz 0,22 € zahlen würde (netto zusätzlich zum Gehalt), käme da ganz schön was zusammen. Wäre natürlich toll, wenn wir diese belgische Regelung auch in Deutschland hätten. Zumal der Arbeitgeber ja auch was davon hat. Die zusätzlichen Unkosten für die nötige Infrastruktur (Abstellplätze, Duschen, Spinte, etc.) bekommt er vom Staat erstattet und gesunde, fitte Mitarbeiter bekommt er noch on-top. Was mich interessiert ist, ob das irgendwie kontrolliert wird, ob ein Mitarbeiter tatsächlich mit dem Rad kommt, oder nur das Geld einstreicht und weiterhin mit dem PKW kommt.

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  2. Wie stark das kontrolliert wird, kann ich dir nicht genau sagen. Allerdings bin ich demnächst noch mal bei Freunden in Belgien. Da kann ich ja mal nachfragen?

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