Karlsruhe

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Dienstag, 21. April 2020

Fehlende Radverkehrs-Kompetenz bei Polizei und Justiz

Generell kann man es in Karlsruhe ja als Radler besser aushalten als in vielen anderen Städten und ich hoffe, mal dass es hier eher unwahrscheinlich wäre, dass die Polizei bemängelt, dass am Rad eines armamputierten Menschen der Bremshebel auf der Seite des fehlenden Arms fehlt. Allerdings gibt es immer wieder Erlebnisse, die darauf schließen lassen, dass es bei Polizei und bei Justiz auch hier in der 'Fahrradhauptstadt' Deutschlands an Kompetenz und Verständnis fehlt für den Radverkehr. Im Grunde kann man hier aber eigentlich auch gleich den Fußverkehr mit einschließen. Alles fokussiert immer nur auf das Auto. Alles andere wird nur als Störfaktor wahrgenommen und behandelt.
Auch heute noch schafft es die Polizei solche Ratschläge zu geben! Als ob nicht schon genug auf dem Gehweg radeln. Ist das dann schon Aufforderung zu einer Ordnungswidrigkeit? Quelle: Twitter


Woran mache ich das fest? Da sind zum einen meine eigenen Erlebnisse, die ich vermutlich an anderer Stelle hier schon zitiert habe - von Empfehlungen, doch auf dem Gehweg zu radeln, wenn ich nicht mit Minimalstabstand überholt werden will bis zu Äußerungen wie: 'Wenn ich radfahren will, gehe ich in den Wald!'. Dazu kommen kürzlich erschienene Berichte in den BNN und Schilderungen von Bjarne, der seit einigen Monaten hier in Karlruhe ziemlich rigoros Falschparker zur Anzeige bringt, die insbesondere Rad- und Gehwege blockieren und dabei behindern und gefährden.

Von Julia Weller auf den Punkt getroffen: immer und überall verletzen sich die Radler selbst. Man könnte fast meinen ohne jede Fremdeinwirkung.
So schildert die Redakteurin Julia Weller einen Vorfall, den man getrost als Bedrohung bzw. vorsätzliche versuchte Körperverletzung beschreiben kann, den sie bei der Polizei zur Anzeige bringt. Resultat: Null! Auch ihre Anfrage, ob die Polizei andere ähnliche Vorfälle behandelt, wird nicht beantwortet. Dabei wissen wir, wie viele Vorfälle sich täglich ereignen und wenn man irgendwann mal versucht hat, so etwas zur Anzeige zu bringen, kommt zusätzlicher Frust auf, weil zunächst die Polizei und dann oft auch die Staatsanwaltschaften vorsichtig gesagt zögerlich sind, solche Anzeigen aufzunehmen. Tatsächlich ist bei solchen Vorgängen auch die Rechtsprechung bis hin zu den obersten Gerichten ein Problem. So wird super knappes Überholen mit minimalem Abstand nicht als Gefährdung gewertet. Für einen eventuell entgegenkommenden Autofahrer schon, aber nicht für den Radler, der die Situation nicht einmal im Blick hat, weil es sich in seinem Rücken abspielt. Im besten Fall bleibt im das Ausweichen in die Dooring-Zone, wenn er sich nicht schon vorab zu weit hat abdrängen lassen.
Das ist nach meinem Kenntnisstand schlicht nicht korrekt. Es mag unklare Situationen geben, die vor Ort keine Entscheidung zulassen, wer vermutlich der Unfallverursacher war. In den meisten Fällen wird eine Entscheidung getroffen und dann auch ein Verursacher benannt. Quelle: BNN
Ihr Interview mit der Karlsruher Polizei zum Sprachgebrauch in Pressemitteilungen bei Unfällen mit Fahrradbeteiligung ist ebenfalls sehr entlarvend. Es ist absolut berechtigt zu fragen, warum sich die Radler eigentlich immer quasi selbst verletzen (Passiv!). Die Autofahrer haben fast grundsätzlich erst einmal 'übersehen'. Und wenn dann doch einmal etwas im 'Aktiv' passiert, war es nicht der Fahrer, sondern das Auto, dast den Radler erfasst hat. Man könnte meinen, der hätte noch gebremst, aber das Auto hat sich losgerissen und dann doch den Radler umgenietet.

Die Erklärungen des Pressesprechers dazu sind fadenscheinig. Natürlich sind alle erfassten Vorgänge und deren Beurteilung durch die Polizei vorbehaltlich einer gerichtlichen Entscheidung. Dennoch wird bei einem Unfall, der am wahrscheinlichsten angenommene Hergang von der Polizei erfasst und dann auch ggf. gleich ein Bußgeld verhängt. Also gehen die Beamten vor Ort schon davon aus, dass der Autofahrer beim Abbiegen die Vorfahrt genommen hat oder die rote Ampel ignorierte. So wurde sogar bei einem Unfall vor einigen Jahren, bei dem ein Autofahrer eine junge Mutter mit ihrem Kind umfuhr, geschrieben, er habe die rote Ampel übersehen. Wie eindeutig soll denn die Lage noch sein, um schreiben zu können, dass es sich um einen Rotlichtverstoß handelt!

Die Aussage, dass die Polizei keine womöglich falschen Schlussfolgerungen ziehen möchte, wird durch die Äußerungen des Pressesprechers zum Thema Fahrradhelm konterkariert. Hier wird sofort und ohne jeden Beweis geschlussfolgert, dass es 'trotz' eines Helms zu Kopfverletzungen kam oder erlittene Kopfverletzungen vermeidbar gewesen wären. Besonders zynisch, wenn bei tödlichen Abbiegevorfällen mit LKWs oder Traktoren der fehlende Helm erwähnt wird, was ich auch schon gesehen habe.

Insgesamt wird so gerade bei Menschen, die nicht radfahren und nur die Perspektive von hinter der Windschutzscheibe kennen, der Eindruck erweckt, die Radler sind eigentlich immer selbst schuld. Das nennt man übrigens Victim Blaming, oder auf deutsch das Opfer selbst verantwortlich machen.

An der Stelle ganz kurz einen kurzen Gruß und ein Danke Schön an die BNN generell, dass dort solche Themen aufgegriffen werden und gezielt an Julia Weller und auch die anderen Radreporter für das Aufgreifen solcher Themen. Wer mehr davon automatisch mitbekommen will, kann sich für den Newsletter der BNN Taskforce eintragen lassen.

Den habe ich beim Ordnungsamt gemeldet. Das Auto steht bei uns öfters in einer Form abgestellt, dass man Bedenken haben muss, ob der Fahrer oder die Fahrerin auch nur halbwegs mit dem Gefährt zurecht kommt. Hier werden weniger als 0,5 m Platz gelassen. Was wäre hier fällig: Gehwegparken mit Behinderung über mehr als 12h. Leider erfahre ich hier nicht, ob überhaupt ein Bußgeld verhängt wird und wenn ja, in welcher Höhe.
In einer anderen Form deckt seit einigen Monaten Bjarne mangelndes Verständnis bei der Polizei auf, wie Fehlverhalten der Autofahrer Radler und Fußgänger behindert oder gar gefährdet. Mit viel Detailkenntnis zur rechtlichen Lage und vor allem mit einer großen Portion Hartnäckigkeit, bringt er Falschparker zur Anzeige. Vorzugsweise greift er dafür Fälle auf, bei denen eine Behinderung oder Gefährdung besteht und lässt sich dann von der Polizei eben nicht ans Ordnungsamt verweisen. Dazu verfolgt er den kompletten Vorgang und insistiert, dass nicht das billigste Knöllchen für 15 Euro ausgestellt wird, sondern eben korrekt entsprechend dem Vergehen geahndet wird.

Dabei stößt er auf einigen Widerstand bei den Beamten, lässt sich aber dadurch nicht beirren und schreibt dann auch schon mal eine Fachaufsichtsbeschwerde. Man mag das als Sturköpfigkeit sehen und mir persönlich wäre es bestimmt auch zu aufreibend, jedes Mal durch diese ganzen Diskussionen durchzugehen. Allerdings braucht es dies vielleicht hin und wieder, dass da jemand eben ein ausreichend dickes Fell hat und sich in diesen Kampf stürzt. Ich würde den genervten Beamten gerne sagen: Auch wenn das nicht mein Weg wäre, unterstütze ich esin der Sache vollauf.

Die Polizei, die Justiz und allerdings auch das Ordnungsamt der Stadt sollen die Gesetze durchsetzen, um die Sicherheit der Menschen sicherzustellen - und dazu gehört eben auch eine Kontrolle des Autoverkehrs und die Bestrafung von Verstößen, auch wenn das mühsamer ist, als Lichtkontrollen am Fahrrad oder Bußgelder für Benutzung von Radwegen in falscher Richtung. Dabei will ich noch betonen, dass ich beides im Grunde gut heiße. Insbesondere das Fahren in Gegenrichtung ist eine wesentliche Unfallursache. Aber die wesentliche Gefährdung geht von den Menschen im Verkehr aus, die mehrere Tonnen Blech um sich haben und kein Bewusstsein, wie verletztlich dagegen die drum herum sind, die keine Knautschzone mitführen.

Wie kommen wir dahin, dass dort verstanden wird, wie man sich auf dem Rad im Auto-fixierten Verkehr unterwegs zu sein. Doch Zwangsstunden auf dem Rad durch die Rush-hour - aber ohne als Polizei erkennbar zu sein?! Noch immer und weiterhin steht das Angebot zu einem offenen Austausch. Ob aber das jemals wahr wird? Vielleicht bin ich dann hier doch einfach zu naiv.

Links:

https://www.ksta.de/koeln/-bussgeld-posse-gesetz-ist-gesetz-1928280?dmcid=sm_fb

https://mailchi.mp/bnn/bnn-radreporter-verkehrsteilnehmer-im-clinch-unfaelle-und-anzeigen?e=ece8f9910e

https://bnn.de/lokales/karlsruhe/fahrradunfaelle-in-karlsruhe-wo-es-wann-wie-oft-kracht

https://bnn.de/lokales/karlsruhe/wenn-autofahrer-radler-uebersehen-karlsruher-polizei-wegen-formulierung-von-unfallmeldungen-in-der-kritik 

https://bnn.de/lokales/karlsruhe/radreporter-der-fahrrad-newsletter-karlsruhe-anmelden-bnn

http://ka-radler.blogspot.com/2020/02/harte-zeiten-brechen-fur-falschparker.html

http://ka-radler.blogspot.com/2019/08/bin-ich-billig-dran-gekommen.html

http://ka-radler.blogspot.com/2019/01/ein-dialog-ware-schon.html

http://ka-radler.blogspot.com/2016/07/haufung-schwerwiegender-unfalle-mit.html


4 Kommentare:

  1. Karlsruhe ist überall. Danke für die gute Zusammenfassung.

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  2. Das ist zu befürchten. Ansonsten Danke, aber es wäre mir lieber, es wäre nicht so! :/

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  3. Dazu passt auch dieser Bericht. Das Kind übersah den PKW auf dem Zebrastreifen. Das ist doch unglaublich.

    https://bnn.de/blaulicht/ka-oberhausen-rheinhausen-12-jaehrige-auf-zebrastreifen-von-pkw-erfasst-und-schwer-verletzt

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  4. Hallo Susanne, in wenigen Zeilen ist genau das alles drin. Alles passiv aus Sicht des Mädchens, die Fahrerin des PKWs war scheinbar gar nicht beteiligt.
    Am allerliebsten wäre es mir, wenn es gar nicht nötig wäre, solche Meldungen zu schreiben oder zumindest deutlich seltener. Wenn es aber halt passiert ist, sollte man nicht diese entschuldigenden Phrasen dreschen.

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