Karlsruhe

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Samstag, 10. August 2019

Ab sofort selber schuld!

Mit diesem Tweet hat die Stadt Karlsruhe sich wohl so richtig ins Wespennest gesetzt und ein entsprechendes Echo geerntet. Da wird auf einen Artikel im Presseportal verwiesen, in dem darüber berichtet wird, dass man als Gegenmaßnahme zu gefährlichen Unfällen mit abbiegenden Bussen und rechts davon befindlichen Radfahrern ein Aufkleber präsentiert, den man zusammen mit dem VBK an allen 500 Bussen der Verkehrsbetriebe aufbringen will, der die Radfahrer vor dem sogenannten 'Toten Winkel' warnt. Gleiches gilt für die Fahrzeuge der Müllabfuhr.

90 Antworten, kaum eine davon positiv und auch nur eine sehr überschaubare Anzahl von 'Likes'. Bisher aber keine weitere Wortmeldung von Stadt oder VBK auf die massive Kritik an der Maßnahme.


Auf dem Foto präsentieren sich Bürgermeister Käuflein, der Geschäftsführer des VBK Pischon und der Sachgebietsleiter Schmid lachend beim Anbringen eines solchen Aufklebers. Wenn man sich die Reaktionen auf Twitter anschaut, war aber den meisten Lesern offensichtlich nicht so sehr nach Lachen zumute. Heute morgen waren 90 Antworten auf Twitter eingegangen. 2 oder 3 davon kann man mit gutem Willen als neutral bis positiv erklärend bezeichnen. Den Rest kann man getrost als veritablen Shitstorm bezeichnen.

Sicher hat Herr Käuflein recht, wenn er sagt, dass Unfälle mit abbiegenden LKWs und Bussen viel zu häufig passieren und dann meist dramatische Folgen haben. Wer erinnert sich nicht an den furchtbaren Unfall, als vor gut einem Jahr ein 7-jähriger Junge von einem Müllauto überrollt und getötet wurde. Solche Unfälle ereignen sich allerdings so häufig, dass wir davon gar nicht jeden einzelnen Fall mitbekommen. Seit langem werden von vielen Einzelpersonen und Verbänden Abbiegeassistenten gefordert - aber Politik und Industrie blocken. Stattdessen wird wir hier auf den 'Toten Winkel' hingewiesen.

Fakt ist, dass die Vorschriften für alle Fahrzeuge so sind, dass entsprechende Spiegel vorhanden und so eingestellt sein müssen, dass es keinen toten Winkel gibt! Die Aufgabe für die Fahrer bleibt zugegebenerweise weiter schwer, aber viele persönliche und berichtete Erfahrungen lassen mich zu dem Schluss kommen, dass der tote Winkel wenn überhaupt im Kopf des Fahrers existiert oder in Form des gerade genutzten Mobiltelefons.

Jetzt mit den Aufklebern den Radfahrern die Verantwortung zuzuschieben ist Victim Blaming in seiner reinsten Form. In den USA wird man vielleicht das als Beispiel nehmen und Warnaufkleber an den Eingangstüren von Walmart anbringen, dass man auf Amokschützen vorbereitet sein soll - also besser in Deckung bleiben und eine schusssichere Weste tragen, anstatt etwas gegen Sturmgewehre in Hand von Privatleuten zu tun.

Hier muss der Ansatz zum einen bei der installierten Technik in den Fahrzeugen beginnen, in dem man Abbiegeassistenten nachrüstet. Zum anderen bei der Schulung und auch Überprüfung der Fahrer. Hier scheint es häufig so, dass die Fahrer der Busse der Meinung sind, dass die StVO für sie nur eingeschränkt gilt. Als Beispiel möchte ich hier eigene Erfahrungen mit Überholvorgängen anbringen. Dazu Berichte darüber, wie z.B. am Rondellplatz regelmäßig sich Busfahrer die Vorfahrt gegenüber Radlern erzwingen, in dem sie ohne Rücksicht auf Verluste in den Kreisel einfahren.

Man könnte die Fahrer, wie es in anderen Ländern inzwischen auch üblich ist, mal mit dem Fahrrad in der Stadt fahren lassen, damit sie ein Gefühl dafür entwickeln, wie es sich anfühlt, wenn man von einem Bus zu eng überholt oder einem die Vorfahrt genommen wird. Einmal in der entschärften Variante wie auf diesem Video vom Bus überholt werden, macht vielleicht doch etwas Eindruck und beeinflusst in Zukunft das eigene Verhalten.

Wenn also überhaupt Aufkleber sollten die vielleicht im Sichtfeld des Fahrers angebracht werden. Allerdings müssten da so viele Aufkleber angebracht werden, dass am Ende womöglich wirklich die Sicht eingeschränkt wäre. So wie jetzt ist es auf jeden Fall keine Aktion, die der Stadt Karlsruhe gut zu Gesicht steht, wenn sie wirlich Fahrradstadt sein möchte.


http://presse.karlsruhe.de/db/meldungen/verkehr/aktion_fur_mehr_sicherheit_im_straenverkehr.html

https://twitter.com/Stadt_Karlsruhe/status/1159791464077058048

https://twitter.com/i/status/983401091483275264

https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/prozessbeginn-siebenjaehriger-muellwagen-unfall-toter-winkel-100.html


2 Kommentare:

  1. Ist irgendwie eine Spezialität der Stadtverwaltung, sich bei allen Radler-Schikanen ablichten zu lassen: https://radfahreninheilbronn.wordpress.com/2019/07/18/neckarradweg-erst-fruehstueck-auf-steuergeld-dann-ausgebremst/
    Motto: Fresse in der Presse

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  2. Na, dann will ich mal hoffen, dass die Aufkleber nicht als die Abbiegeassistenten durchgehen, die man doch gerade erst wenige Wochen zuvor angekündigt hat:
    http://presse.karlsruhe.de/db/stadtzeitung/jahr2019/woche29/amt_fur_abfallwirtschaft_dank_assistent.html

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