Karlsruhe

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Dienstag, 21. Juli 2020

Wie kann man die Perspektive der Polizei Karlsruhe ändern?

Es sind in den letzten Tagen mal wieder 2 Verkehrsunfälle passiert, bei denen jeweils eine Radlerin verletzt wurde. Den ersten Fall habe ich zufällig im Presseportal entdeckt. Darin die üblichen und leider fast erwartbaren Formulierungen, die irgendwie immer in die Richtung gehen, den Verursacher hinter dem Lenkrad zu entlasten und dem Opfer auf dem Rad eine gewisse Mitschuld anzulasten - 'wurde vom Auto erfasst', 'tiefstehende Sonne', 'einen Helm trug sie nicht'. Schön zusammengefasst unter dem Begriff #victimblaming.
Damit ging es los und es wurde mal wieder etwas turbulent für das SM-Team der Polizei Karlsruhe.
Ich habe das ganz kommentarlos auf Twitter geteilt und damit begann mal wieder eine anstrengende Zeit für das Social Media Team der Polizei Karlsruhe - und das mit einer gewissen Berechtigung. Besondere Dynamik erhielt das Ganze dann noch dadurch, dass die verunglückte Frau sich auf Twitter auch gemeldet hat und gleich zu Beginn bestätigte, dass die Formulierungen in der Pressemitteilung sie schon (zusätzlich) getroffen haben - 'als wäre man selbst schuld, wenn man auf dem Radweg umgemäht wird'.
Leider hat auch Baden-TV den Bericht vom Presseportal kritiklos übernommen.
Dabei ärgert sie sich selbst, dass sie keinen Helm getragen hat, weil sie auch sonst immer mit fährt. Aber wer das Bild des Autos gesehen hat, mit komplett eingedrückter Frontscheibe, wundert sich, dass sie mit Prellungen und Schürfwunden am ganzen Körper und mit einem heftigen Schleudertrauma davon gekommen ist - und bei diesen Verletzungen hätte der Helm auch nicht geholfen.
Als sich die Radlerin auf Twitter meldete, war zunächst Erleichterung bezüglich der Frage, was sind schwere Verletzungen. Allerdings harmlos liest sich das nicht und ist es auch nicht.
Leider scheinen aber die Argumente bei der Polizei nicht durchzudringen, mit denen wir uns über diese Art der Berichterstattung beschweren. Die Polizei mag das Tragen von Fahrradhelmen befürworten, aber dass es sich am Ende so liest: Hätte sie einen Helm getragen, wäre das gar nicht passiert oder es wäre nur halb so schlimm! wird dort nicht verstanden oder will man nicht verstehen. Stattdessen wird das Missachten der Vorfahrt mit schlechter Sicht wegen tiefstehender Sonne entschuldigt. Das hatte wohl die Fahrerin des Autos angeführt und wurde von der Polizei einfach übernommen.

Dagegen aber keinerlei Aussage, dass sie den Unfall durch Missachtung der Vorfahrt verursacht hat. Es klingt mehr nach einem Unglück, das ihr unverschuldet geschah. Ich musste bei der Gelegenheit an den für Radler sehr traurigen Sommer 2016 denken, in dem Radfahrer sehr schwer, teils tödlich verletzt wurden. Damals war man so dreist über einen Unfall, bei dem ein Autofahrer bei Rot über einen Fußgängerüberweg fuhr und eine junge Frau anfuhr, die ihren gut 1 Jahr alten Sohn im Kinderanhänger hatte, dass er die rote Ampel aus Unachtsamkeit übersehen habe. Soll das heißen, das kann ja mal passieren und es ist ja nichts Schlimmes passiert?
Das war der zweite Unfall innerhalb weniger Tage. Der Hergang sollte als Argument taugen, um gegen Falschparker im Kreuzungsbereich auch und gerade in T30 Zonen vorzugehen,...
Recht aufschlussreich in dem Zusammenhang die Berichterstattung zu einem weiteren Unfall, der sich am Samstag (ursprünglich falsch angegeben mit Montag) ereignet hat. Auch hier wurde eine Radlerin durch einen Autofahrer schwer verletzt. Interessanterweise hier keinerlei Hinweis auf den Helm - schließlich hätte man das ja auch erwähnen können, dass sie trotz Helm Verletzungen davon getragen hat. Auf Nachfrage erhält man die Antwort, dass man auf den Hinweis verzichtet, wenn kein Zusammenhang gesehen wird. An anderer Stelle wird aber dann wieder darauf hingewiesen, dass die Polizei bestimmte Beurteilungen nicht machen kann, weil sie keine Mediziner seien. An der Stelle würde ich mir wünschen, bitte einmal entscheiden, wie man es haben will und dann dabei bleiben.

Sehr interessant an der Berichterstattung bei diesem Unfall ist noch die Beschreibung des Hergangs. Zunächst wird geschrieben, dass der Autofahrer auf die Gegenseite ausweichen musste, weil auf seiner Seite ein Fahrzeug ordnungswidrig abgestellt war. Musste? Zunächst hätte er sich vergewissern müssen, dass ihm niemand entgegen kommt.
Die Tatsache, dass aber das ordnungswidrige Parken hier so betont wird, ist doch sehr interessant. Zunächst stellt sich die Frage, ob in der Sache dann auch der Falschparker belangt wird. Ich würde ja vermuten, dass als direkt Unfallbeteiligter mit womöglich Teilschuld eher nicht. Aber beim Strafzettel für das Falschparken müsste dann Gefährdung und Schädigung als verschärfend dazu kommen.

Auf direkte Anfrage über Twitter kam innerhalb kurzer Zeit diese Antwort von der Polizei. Danke für die schnelle Rückmeldung!
Und das kam gleich noch hinterher! Bei allem Disput gestern und heute aber lieben Dank an das SM-Team der Polizei. Man hat sich hier nicht weggeduckt, sondern sich der Diskussion gestellt. Irgendwie bleibt dann doch immer noch die Hoffnung auf den steten Tropfen...
Man darf sich auf jeden Fall fragen, ob die Polizei mit Tempo 30 Zone argumentieren darf, dass im Kreuzungsbereich abgestellte Fahrzeuge keine Gefährdung bedeuten und deshalb ein Versetzen nicht angezeigt ist. Der Bezug auf geringen Verkehr am Feiertag scheint mir auch fragwürdig. Wenn im falschen Moment einer kommt, der mir die Vorfahrt nimmt, können die Folgen so gravierend sein, dass auch ein geringes Risiko nicht akzeptabel ist.
...wo bisher noch nicht generell von einer Gefährdung für die anderen Verkehrsteilnehmer ausgegangen wird.
So richtig verstehen kann ich die immer wiederkehrende Abwehrhaltung der Polizei Karlsruhe gegenüber Forderungen der Radfahrer nicht. Es wird ja immer wieder versucht ins Gespräch zu kommen und zu erklären, was für unsere Sicherheit wichtig ist, aber man hat das Gefühl, da ist kein Durchkommen! Woran liegt das? Gibt es da klare Richtlinien und Handlungsanweisungen? Werden da Verhaltensweisen und Reaktionen von oben vorgegeben? Oder ist einfach diese autofixierte Denkweise bei der Polizei noch so stark, dass man es nicht einmal schafft, den Versuch zu unternehmen die Perspektive der anderen mal einzunehmen?
Dieser Bericht hat mich damals wirklich entsetzt!
Um für den Moment einen Abschluss zu finden, will ich noch sagen, wie erleichtert ich bin, dass das Unfallopfer aus dem ersten Fall wohl auf dem Weg der Besserung ist und im zweiten Fall die Verletzungen scheinbar nicht so schlimm waren.
Dazu bleibt noch den beiden Unfallopfern gute Besserung zu wünschen und der Karlsruher Polizei vielleicht ebenso - nur eben in anderer Hinsicht.

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3 Kommentare:

  1. Dass sich der PKW Lenkende bei der Unfallaufnahme äußert, liegt daran, dass er/Sie nicht verletzt ist. Der Verletzte wird versorgt und kann evtl. keine Aussagen machen.
    Wie man diese einseitige Berichterstattung unterbinden kann. Vielleicht mal über zentrale Stellen versuchen einen Kontakt aufbauen. Gibt es bei der Polizei intern z. B. Schulungen für Pressesprecher?
    Und als direkter Hinweis an der direkt umgesetzt werden könnte. Nicht die Aussagen der Beteiligten für bare Münze nehmen. Sondern vielleicht un beteiligte Zeugen...

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    1. Das ist ein sehr guter Aspekt, den man vielleicht auch der Polizei Karlsruhe ans Herz legen könnte. Die freuen sich bestimmt, wenn auf Twitter die Diskussion wieder auflebt!

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  2. https://m.tagesspiegel.de/berlin/schon-39-verkehrstote-in-berlin-in-diesem-jahr-das-auto-ist-kein-wildes-tier-das-menschen-erfasst/26122290.html?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

    Hier ein interessanter Bericht aus Berlin

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