Karlsruhe

Karlsruhe

Mittwoch, 19. Mai 2021

Viel Aufwand - wenig Ertrag!

In der ersten Maiwoche fand ein bundesweiter Aktionstag statt, der unter dem Motto 'sicher.mobil.leben - Radfahrende im Blick' stand - auch hier in Karlsruhe. Und es kam, wie es kommen musste! 'Radfahrende im Blick' bedeutete nicht, dass man das Augenmerk der Gefährder - sprich der Autofahrer - auf diese Verkehrsteilnehmer lenken wollte, sondern mal wieder penibel kontrollierte, ob auch Speichenreflektoren in ausreichender Zahl am Rad sind, die Klingel funktioniert und Helm und reflektierende Kleidung getragen und Kopfhörer nicht getragen werden. Dafür feiern sich die Innenministerien und die Polizeipräsidien mit ihren tollen Bilanzen. Leider wurde damit absolut nichts zu einer verbesserten Sicherheit des Radverkehrs erreicht, womöglich sogar im Gegenteil.

 In der eigenen Pressemeldung, wird das Tragen von Kopfhörern undifferenziert so dargestellt, als sei es ein Verstoß gegen die StVO. Erst auf Nachfragen bei Twitter, wird eingeräumt, dass dem nicht so ist. 

Es ist sicherlich korrekt und wird auch von den Radlern befürwortet, wenn man z.B. das Radeln auf dem Gehweg oder in falscher Richtung auf dem Radweg kontrolliert und unterbindet. Aber warum kümmert man sich nicht um Gründe, die mit ursächlich sind für solches Verhalten? Stattdessen Hinweise auf Helm und reflektierende Kleidung. Somit entschuldigt man im Grunde vorab den Autofahrer - von wegen 'übersehen' oder 'mit Helm hätte der sich bestimmt den Arm nicht gebrochen!' Es wird unterschlagen, dass das nicht verpflichtend ist und andererseits auch keinen wesentlichen Einfluss hat auf Unfallgeschehnisse und Unfallfolgen.

Sachsen mal als Beispiel für gute Polizeiarbeit. 

Als Alibi-Aktion - nach dem Motto, wir kontrollieren ja auch den Autoverkehr - werden ein paar Falschparker auf Radwegen kontrolliert, vermutlich aber auch mit gebremstem Schaum. Kontrollen von Überholabständen wie in Sachsen - Fehlanzeige! Auf diese Idee kommt man in der #nennmichnichtfahrradstadt Karlsruhe wohl nicht. Selbst in Stuttgart gab es schon solche Kontrollen. 

Eine derartige Kontrolle gab es in Karlsruhe meines Wissens bisher nicht. Warum eigentlich?

Leider hatte ich zu spät erfahren, dass das Präventionsteam der Polizei Karlsruhe am Marktplatz Stellung bezogen hatte. Sonst hätte ich die gerne gefragt, welches Konzept sie verfolgen, um den Radverkehr (oder vielleicht noch besser - den gesamten nicht-motorisierten Verkehr) sicherer zu machen. Geht es weiter mit dem Victim Blaming oder werden endlich mal die Ursachen angegangen? Will man endlich mal verstehen, was Radverkehr bedeutet oder bleibt man bei der vorherrschenden Auto-zentrierten Sichtweise? Wie gesagt, war ich für eine direkte Antwort zu spät, aber die Umstände weisen eher darauf hin, dass Letzteres leider Gültigkeit hat. 

Klingt ein wenig nach Verzweiflung, wenn man versucht sich darauf herauszureden, dass für bestimmte Maßnahmen keine Vorgaben vom Gemeinderat vorliegen würden. 

Es ist leider so, dass ich konstatieren muss, dass man bei der Polizei Karlsruhe offensichtlich Radverkehr nicht versteht. Wobei ich es auch für möglich halte, dass man den Radverkehr nicht verstehen will oder verstehen darf. Ich befürworte definitiv; weiter Radler zu kontrollieren, die rücksichtslos fahren und damit auch andere gefährden. Aber wenn man endlich anfangen würde proaktiv rücksichtsloses Autofahren zu kontrollieren und zu bestrafen, könnte man vielleicht auch notorische Gehwegradler überzeugen, auf die Fahrbahn zu wechseln. Wenn ich nämlich von der Polizei empfohlen bekomme, auf dem Gehweg zu radeln, wenn ich mich durch enges Überholen gefährdet fühle, wird das nix.

Richtig müsste es heißen, Gefährdungen für Radfahrende im Blick! Zumindest wenn man sein selbstgestecktes Ziel auch wirklich ernst meint. 

Leider lässt sich in diesem Fall auch die BNN vor den Karren spannen und wiederholt unreflektiert, was man von der Polizei vorgelegt bekommt. Wenn man den Artikel liest, könnte man auf die Idee kommen, dass Radfahrer in Karlsruhe ausschließlich selbstverschuldete Unfälle verursachen und der Autoverkehr überhaupt keine Rolle spielen würde. Der Autor sollte sich vielleicht mal bei anderen Kollegen in der Redaktion beraten lassen, die es besser können. Direkt darin verlinkt nämlich ein weiterer Beitrag, der aufzeigt, wie Menschen auf dem Rad zu Schaden kommen. Julia Weller macht deutlich, dass im Regelfall Autofahrer mit involviert sind. 

Im Grunde müsste die Polizei nur regelmäßig die selbst geschriebenen und veröffentlichten Pressemeldungen durchlesen. Bei den ganzen schweren Unfällen mit großen Sachschäden oder schweren Personenschäden sind praktisch immer Autos involviert. Es schaudert mich jedes mal, wenn ich dort von schweren Verletzungen lese. Ich bedaure die Beamten, die dann vor Ort müssen und das Gesehene irgendwie verarbeiten müssen. Allerdings denke ich auch, dass es die Polizeiführung selbst in der Hand hätte, diese Ereignisse für die eigenen Leute deutlich zu reduzieren. Alibi-Aktionen wie dieser Aktionstag werden allerdings nichts ändern. Stattdessen sehen sich Autofahrer bestätigt, dass die Radfahrer im Grunde eh immer selbst schuld sind und es nicht besser verdient haben, wenn man sie anhupt, zu eng überholt oder sonst auf irgendeine Art und Weise schikaniert und gefährdet.

In den Links finden sich noch Hinweise auf Kontrollaktionen, die in anderen Städten bzw. Bundesländern stattfanden, die weit besser den vorgegebenen Zweck erreichen, den Radverkehr sicherer zu machen. Es lohnt sich da mal etwas zu stöbern. 

Links:

https://bnn.de/karlsruhe/karlsruhe-stadt/fahrradfahrer-kontrollen-polizei-aktionstag-unfaelle-sicherheit

https://bnn.de/karlsruhe/fahrradunfaelle-in-karlsruhe-wo-es-warum-wie-oft-kracht-unfallschwerpunkte-radreporter

https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/110972/4908812

https://www.presseportal.de/blaulicht/nr/110972

https://twitter.com/Polizei_KA/status/1390554008121716737

https://bnn.de/mittelbaden/ortenau/offenburg/verkehrssicherheit-fahrrad-aktion-bilanz-mehr-kontrollen-polizei

https://twitter.com/KA_Radler/status/1390571024161312769

https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/bilanz-des-aktionstags-sichermobilleben/

https://twitter.com/Polizei_Ffm/status/1384854588868734977

https://de.wikipedia.org/wiki/Victim_blaming

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen