Karlsruhe

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Freitag, 11. Oktober 2019

Überholen verboten!

Vor einigen Monaten hat Andreas Scheuer als verantwortlicher Minister des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur angekündigt, dass er auch Fahrradminister sein wolle und nicht nur Erfüllungsgehilfe der Automobilindustrie. Auf diese Verlautbarung folgten einige konkrete Ankündigungen zur Änderung der StVO. Darunter war auch, dass das Überholen von Radlern mit einem seitlichen Abstand von weniger als 1,5 m verboten wird.
Das ist die Ankündigung. Wann wird sie endlich umgesetzt und mit welchen Bußgeldern bewehrt?


Von vielen Seiten habe ich gehört, dass das doch eh schon gelte und überhaupt nichts bringt. Auch wenn ich mir noch viel weitergehende Maßnahmen vorstellen könnte und wünschen würde, sehe ich gerade in diesem Fall einen erheblichen qualitativen Unterschied zur bisherigen Situation. Bis heute heißt es nur, dass ausreichender Seitenabstand zu halten sei. In der Rechtsprechung hat sich zwar durchgesetzt, dass das unter Idealbedingungen mindestens 1,5 m bedeutet, aber hier ist das Problem, dass die Rechtsprechung erst zum Tragen kommt, wenn schon was passiert ist.
Kaiserstraße in Richtung Durlacher Tor. Am Ende bleibt die Fahrerin des Fahrzeugs zwar hinter dem Radler, aber mit VIEL ZU WENIG ABSTAND. Was macht sie, wenn er stürzt oder weil er zu nahe am Rand fährt von einer sich öffnenden Autotür vor ihr Fahrzeug geschleudert wird?
Wenn ich jetzt zur Polizei gehe und mich beschwere ich sei mit viel zu geringem Abstand überholt worden, passiert nix. Wenn ich entsprechende Kontrollen fordern würde, es passierte nix. Weil ich zur Antwort bekomme, was sollen wir denn kontrollieren? Welchen Maßstab legen wir an und wie bestrafen wir? Wenn der Abstand aber explizit so in einem Gesetz steht, würde es für die Polizei schon deutlich schwieriger, einfach so zu tun, als ob sie das nichts anginge.
Das war hier nicht das engste Überholmanöver, das ich in der Parkstraße bisher beobachtet habe, aber dennoch zu eng. Zudem noch zu schnell - hier gilt Tempo 30 und an den einmündenden Straßen rechts-vor-links missachtet.

Dabei ist das eine von den unangenehmsten und stressigsten Situationen, die ich als Radler im Straßenverkehr fast täglich erlebe. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass viele Menschen das davon abhält das Rad zu nehmen. Oder wer will seine Kinder so einer Situation aussetzen. Hier mal endlich Kontrollen durchführen und dann auch Strafen aussprechen, hätte auch den Effekt, dass vielen Autofahrern erst mal klar würde, dass das so nicht okay ist.

Sobald das so verabschiedet sein wird, werden sich die Stadt Karlsruhe und die Polizei in Karlsruhe darauf einstellen müssen, von mir regelmäßig Aufforderungen zu Kontrollen zu erhalten. Verschiedene Schwerpunktstellen habe ich schon auf dem Schirm, wie die nördliche Karlstraße zwischen Amalienstraße und Kaiserstraße. Oder die Kaiserstraße vom Kronenplatz bis zum Durlacher Tor. Die Parkstraße ist auch so ein Beispiel und die Liste könnte beliebig erweitert werden. Was sich hier abspielt, spottet jeder Beschreibung. Radler weichen bis in den Rinnstein aus, weil ihnen Autofahrer zunächst viel zu dicht auffahren, um sich dann mit absolutem Minimalabstand vorbeizudrängen - nur um dann an der Ampel wieder eingeholt und überholt zu werden.

Spätestens dann werde ich mich regelmäßig melden und Kontrollen einfordern, bei denen auch die Radler aufgeklärt werden sollen, welchen Abstand sie zum Fahrbahnrand halten dürfen und eigentlich sogar müssen, um z.B. aus der Dooring-Zone zu bleiben. Eine absolute Horrorvorstellung in eine sich öffnende Autotür zu krachen und dann noch eine Mitschuld zu bekommen. Und natürlich sollen bei diesen Kontrollen die Autofahrer, die durch ihr Verhalten andere Menschen gefährden, auch entsprechend bestraft werden. Hierbei bleibt noch zu hoffen, dass im Gesetz die Bestrafung nicht wieder 10 Euro beträgt, sondern etwas substantieller ausfällt.

Wie sehr diese Situationen von Behördenseite unterschätzt und bagatellisiert werden, zeigt ein aktueller Fall aus Pforzheim. Dort wurde ein Radler von einem Busfahrer in einer absolut nicht zulässigen und hoch gefährlichen Art und Weise überholt. Alles war auf Video dokumentiert. Dass die Polizei zunächst nur nach massivem Druck den Vorfall überhaupt aufnehmen wollte, deckt sich mit Erfahrungen, die ich auch in Karlsruhe bereits machen musste. Die Begründung der Staatsanwaltschaft, hier kein Verfahren einzuleiten, ist ein Offenbarungseid. Immerhin hat ein Pforzheimer Stadtrat die Sache aufgegriffen und einen offenen Brief an die Polizeipräsidentin und die Leitende Staatsanwältin geschrieben. Ob es von denen bereits Reaktionen gibt, ist mir leider nicht bekannt.

Wenn diese Situationen deutlich reduziert werden könnten, hätte das nach meiner Einschätzungen einen erheblichen Effekt auf die tatsächliche und auch die gefühlte Sicherheit für Karlsruher Radler. Eine große Chance die Straßen sicherer zu machen und mehr Menschen aufs Rad zu bringen. Die vielen angehängten Links geben einiges an zusätzlichem Lesestoff. Sie zeigen, was schon möglich wäre, wenn man nur wollte und auch wie sehr mich das Thema schon lange umtreibt.

Links:

http://wir-in-pforzheim.de/wip3x/images/Dokumente/2019-10-05_Brief_Anzeigen_Radverkehr.pdf

http://wir-in-pforzheim.de/wip3x/index.php/41-stellungnahmen/pressemitteilungen/910-offener-brief-von-stadtrat-christof-weisenbacher 

https://blog.natenom.com/2019/06/ermittlungsverfahren/

https://www.tagesschau.de/inland/verkehr-stassenverkehrsordnung-101.html

https://www.riffreporter.de/busystreets-koralle/busystreets/andreasscheuer/radfahren/

http://ka-radler.blogspot.com/2016/04/radfahrer-uberholen-verboten.html

http://ka-radler.blogspot.com/2018/12/uberholen-verboten.html

http://ka-radler.blogspot.com/2018/05/sich-nicht-den-rechten-rand-drucken.html

https://www.theguardian.com/environment/bike-blog/2016/sep/16/undercover-bike-cops-launch-best-ever-cycle-safety-scheme-in-birmingham

http://ka-radler.blogspot.com/2016/08/sicherheitsabstand.html

2 Kommentare:

  1. In Pforzheim gab es die zu erwartente Reaktion der StA:
    "Es ist doch nichts passiert"
    Quelle: https://www.pz-news.de/pforzheim_artikel,-Keine-konkrete-Gefahr-Das-sagt-die-Staatsanwaltschaft-zum-offenen-Brief-von-WiP-Stadtrat-Weisenba-_arid,1346923.html

    Wer einen Gullydeckel entfernt, wird härter bestraft. Auch wenn nichts passiert. Aber da besteht ja die Gefahr das ein "heilix Blechle" beschädigt wird.

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  2. Da gab es auch grad wieder auf Twitter eine Diskussion mit der Karlsruher Polizei zum Thema, wann eine Gefährdung vorliegt oder nicht,z.B. auch bei Parken auf Geh- oder Radwegen. Das werde ich sicher auch mal noch aufgreifen müssen. Vorher muss ich mich etwas in den Paragraph 315 einlesen.

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